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Von der Esterhazyschnitte zum Leitbetrieb

Der gebürtige Schweizer Stefan Ottrubay wurde Ende des Jahres 2001 von Melinda Esterházy mit der Leitung der Esterhazy Stiftungen und Betriebe betraut. Seither managt er mit Wohnsitz Eisenstadt die vielfältigen Aktivitäten des Unternehmens und hat dabei seine Wahlheimat Burgenland auch in großen Bereichen mitgestaltet.

Das Feiern zum 20-Jahr-Jubiläum seiner Arbeit für Esterhazy war durch die Pandemie ebenso beeinträchtigt wie die 100-Jahr-Feiern des Landes Burgenland. Peter Menasse, Publizist und Kommunikationsexperte, sprach mit Stefan Ottrubay über seine Erfahrungen mit seiner Wahlheimat, die Zielsetzungen, die Führung von motivierten Mitarbeitern, seine Ansichten zu Kunst und Kultur, zu strukturellen Themen der Politik und über vieles mehr.


Herr Dr. Ottrubay, Sie sind in der Schweiz aufgewachsen und haben dort und später auch im Osten Europas höchst erfolgreich als Manager im Banken- und Versicherungswesen gearbeitet. Dann kam der Ruf ins kleine Burgenland. Haben Sie gezögert, Land und Branche zu wechseln?

Ich war schon Jahre vor meinem endgültigen Wechsel Vorstand in einer der Stiftungen von Esterhazy, aber das hieß bloß drei bis vier Reisen pro Jahr. Also ein Kennenlernen auf Distanz. Als ich dann von der Fürstin gebeten wurde, in Eisenstadt zu beginnen, war das schon ein Sprung ins kalte Wasser. Aber ich wurde gut empfangen, nicht zuletzt auch deshalb, weil ich ein ganz gutes Weinwissen hatte. In Ungarn hat sich meine Familie nach der Wende an einem Weingut beteiligt. Das war meine erste starke Brücke nach Österreich. Mit Weinwissen kommt man generell weit im Burgenland, damit war der „Kulturschock“ gering.


Leute, die sich an die Zeit vor Ihrer Tätigkeit für Esterhazy vor zwanzig und mehr Jahren erinnern, erzählen meist, dass die Aktivitäten eher einer Verwaltung als einem erfolgreichen Management glichen. Wie haben Sie den Betrieb hier vorgefunden?

Ja, es war alles sehr verschlafen. Es wurden Mieten und Zinsen aus dem Bestand lukriert, aber das war es auch. Neu entwickelt und investiert wurde fast nichts, und vor allem gab es den Bereich Tourismus, Kultur und Veranstaltungen gar nicht, welchen wir dann ab 2004 aufgebaut haben. Die Abteilung für Immobilien bestand beispielsweise aus einem älteren ehemaligen Landwirtschaftsleiter und vier Mitarbeiterinnen für die Buchhaltung. Heute arbeiten in diesem Bereich über 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die parallel vier bis fünf große Projekte und viele kleinere betreuen können. Oft fragen Bürgermeister an, ob wir ihre Gemeinde kurzfristig organisatorisch unterstützen können.


Wenn man betriebswirtschaftliche Kriterien einführt, macht man sich nicht nur Freunde. Wie war das zu Beginn, gab es Anfeindungen?

Es gab die ältere Generation, von der dann mehrere in den wohlverdienten Ruhestand traten. Viele der Jüngeren allerdings hatten große Ambitionen. Sie waren dankbar, dass endlich frischer Wind in den Betrieb gekommen war. Aufgrund meiner Tätigkeit für große internationale Unternehmen in Ungarn hatte ich Erfahrung darin, wie man Veränderungen managt. Wir haben in einem modernen Sinne die Betroffenen zu Beteiligten gemacht. Damit waren fast alle eingebunden und die Widerstände gering. In kaum zwei Jahren hatten wir die Stiftung neu aufgestellt und die Mitarbeiter stark motiviert.


Es dürfte aber anfangs mit der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern nicht immer leicht gewesen sein. Es gab da doch auch Fluktuation. Warum?

Zu Beginn hatten wir in den betreffenden Branchen keinen Namen, kein Renommee. Außer „Adel“ und „Esterhazyschnitte“ haben die meisten nichts mit uns assoziiert. Damit konnten wir nicht wirklich die großen Talente gewinnen. Zu dieser Zeit hatten wir nicht einmal einen Personalverantwortlichen. Mit den Jahren wurden wir am Markt stärker anerkannt und gewannen immer bessere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In neuen Geschäftsbereichen waren wir fast wie ein Start-up Unternehmen, diese haben sowohl im Wiener Raum wie auch hier im Burgenland oft stärkere Fluktuationen, bis sich Stabilität einstellt. Wir hatten die reifen Bereiche, wie Forst- und Landwirtschaft und Immobilien, die anderen Betriebsbereiche aber begannen vor 10 bis 15 Jahren eben wie kleine Start-ups. Der Großteil davon steht heute stabil und erfolgreich da. Inzwischen sind wir in ruhigem Fahrwasser und eine große Zahl von hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist in den insgesamt zwölf Unternehmensbereichen tätig.


Die Esterhazy'schen Unternehmen beschäftigen viele Frauen in höheren Positionen. Ist das Zufall oder sehen Sie sich als besonderen Frauenförderer?

Ich habe dazu eine recht rationale Einstellung. Zum einen gibt es zusehends mehr Frauen, die eine sehr gute Ausbildung haben und stark motiviert sind, aber oft keine entsprechende Position gefunden haben. Seitdem ich als Manager tätig bin, habe ich nach drei einfachen Grundsätzen gehandelt. Erstens wird kein machohaftes Auftreten im Betrieb geduldet, zweitens wird jeder Frau grundsätzlich die gleichen Chancen geboten und drittens unterstützt der Betrieb die Mitarbeiterinnen, wenn sie wegen Familie und Kindern einige Zeit aussetzen wollen oder müssen. Dieses Verhalten bringt dem Unternehmen große Sympathien und Loyalität und bewirkt eine überdurchschnittliche Verbundenheit der Mitarbeiterinnen. Das schlägt sich in besonders guten Leistungen nieder und hilft, interne Konflikte zu vermeiden. Meine über 30-jährige Erfahrung hat mir gezeigt, dass so für alle Seiten eine Win-Win-Situation geschaffen wird, für die Mitarbeiterinnen wie für das Unternehmen.


Wie haben Sie das gesellschaftliche Umfeld im Burgenland vor zwanzig Jahren erlebt?

Das Positive, gleichzeitig aber auch die Herausforderung, war der kleinräumige, ländliche Raum. Jeder kennt jeden, man erfährt über den anderen sehr schnell, woher er kommt und was er will und wie sein Umfeld aussieht. Damit musste ich zu leben lernen. Ich habe zuvor immer in großen Städten gearbeitet, wo eine größere Anonymität und eine starke Trennung von Privatem und Beruflichem besteht. Angenehm ist jedoch die Nähe zum Großraum Wien mit seinem reichen Angebot an Kultur, Sport und Einkaufsmöglichkeiten. Diese ideale Verbindung zwischen den Vorteilen des Ländlichen und der Urbanität erlebe ich als sehr bereichernd. Aber nicht nur ich, denn das führt seit einigen Jahren auch zu einem wachsenden Zuzug aus dem Wiener Raum.



Sie sind ein Bürgerlicher, managen jedoch ein Unternehmen mit einem Adelsnamen. Sind Sie da manchmal als verkappter oder als „Möchtegern-Adeliger“ angefeindet worden?

Nein, überhaupt nicht. Schon der letzte Fürst und seine Gattin Melinda haben ein sehr bürgerliches Leben gelebt. Sie waren beide überzeugt davon, dass die Zeit des Feudalismus vorüber ist. Umgekehrt gibt es in der Bevölkerung immer noch Menschen, die der Adelsromantik ein wenig nachhängen. Das wird wohl ein menschlicher Zug sein, der in Österreich etwas stärker als anderswo ausgeprägt ist. Natürlich erwarten viele, dass ich den Kopf und das Symbol der Stiftungsgruppe gebe. Auf mehr lasse ich mich aber nicht ein. Das würde nur unsere Stellung in der Wirtschaft und in der Politik schwächen. Wir haben in unseren Sammlungen und Publikationen riesige historische Schätze. Mit diesen können wir der Welt die über 500 Jahre zurückreichende, hochinteressante Geschichte der Familie Esterházy sehr schön zeigen. Wir brauchen keine feudalen Kostümauftritte.


Viele sehen Sie als resoluten Macher, manche sagen, Sie sind ein beinharter Umsetzer. Gerade in Österreich ist das etwas ungewohnt. Viele meinen, dass wir hierzulande eher den politischen Kuschelkurs und die hinterrücks gefahrene Intrige lieben. Sind Sie mit Ihrer Art des Auftretens nicht immer wieder in offene Konflikte gestolpert?

Was Sie zur österreichischen Art sagen, ist schon richtig. Ich bin eben etwas anders sozialisiert worden. In der Schweiz werden klare Worte geschätzt, auch wenn sie Angriff und Kritik bedeuten. Ich bin damit in meinem ganzen Leben gut gefahren, übrigens auch in Österreich. Man erreicht mit Offenheit einfach schnellere und bessere Lösungen und erspart sich lange Phasen der Unsicherheit. Insgesamt hilft es der Sache und bringt bessere Ergebnisse. Zudem gewinnt man in der Öffentlichkeit mit einem offenen Auftreten viel mehr Sympathie als mit verdecktem Mauscheln. Das war übrigens unser Grundsatz mit den früheren Vertretern der burgenländischen Regierung, die uns bekanntlich lange Zeit heftig zugesetzt haben. Heute ist die Kommunikation mit allen Landesstellen von Konstruktivität und beiderseitigem Respekt geprägt.


Das Verhältnis zur Landespolitik schien tatsächlich ab 2006 aus unüberbrückbaren Konflikten zu bestehen.

Ich bin anfangs auf positives Interesse an meiner Person und den neuen Führungskräften gestoßen. Zu Beginn lief mit der Politik alles rund. Ab 2006 hat die regierende Spitze des Landes begonnen, eine Art ideologischen Kampf gegen Esterhazy zu führen. Diese zwölf Jahre bis 2018, mit dauernden Angriffen, haben uns viel Energie und Geld gekostet – übrigens auch dem Land. Nach den Wahlen von 2017 hat sich das Blatt völlig gewendet. Seither haben wir mit allen Landesstellen gute Beziehungen. Es wird uns nichts geschenkt, aber man geht auf unsere Themen ein und wir erhalten umgehend Antworten. So arbeitet man gerne, gerade als ein privates Unternehmen, für das Zeit und Qualität zählen. Und das schafft Mehrwert für das Land und unseren Betrieb. Zu vielen Themen, wie etwa dem Neusiedler See, den neuen Energieformen oder der Bio-Landwirtschaft, werden wir in informelle Arbeitskreise eingeladen.


Esterhazy hat sich in der Zeit unter Ihrer Leitung stark gewandelt und besteht heute aus fünf großen Bereichen: PANNATURA (Land- und Forstwirtschaft), Immobilien, Weingut Esterházy, Hospitality sowie Tourismus, Kultur & Veranstaltungen. Gehen wir sie gemeinsam durch: Der heute unter PANNATURA firmierende Teil der Esterhazy Betriebe hat schon früh mit ökologischer Landwirtschaft begonnen und ist zu so etwas wie einem Leitbetrieb geworden. Wie kam das?

Wald-, Forstwirtschaft und Naturmanagement und die Immobilien sind heute die wichtigsten Bereiche unseres Unternehmens. Seinerzeit kam der damalige Landwirtschaftsleiter zu mir und sagte: „Herr Ottrubay, es gibt einen neuen Trend, die biologische Bewirtschaftung. Versuchen wir doch den Umstieg.“ Damals war das alles noch sehr neu, wir sind aber gemeinsam schnell zur Überzeugung gekommen, dass hier die Zukunft liegt.


Und es ist gut gelungen.

Ja, es hat etwa drei Jahre gedauert, bis sich alles eingespielt hat. Dann kam DI Matthias Grün und hat den Bereich massiv weiterentwickelt. Es musste viel in den Maschinenpark investiert werden. Heute haben wir hochmoderne Traktoren und Geräte mit digitaler Steuerung. Drohnen begleiten die Maschinen, prüfen die Bodenbeschaffenheit und die Feuchtigkeit im Boden, um den Sameneintrag zu steuern. Das Resultat kann sich sehen lassen. Wir erzeugen heute beste biologische Lebensmittel aus eigenem Anbau.


Der Immobilien-Sektor ist sicherlich der Bereich mit den größten Kontroversen. Wo immer gebaut wird, gibt es Gegner. Wie gehen Sie damit um und welche Strategien verfolgen Sie?

Neue Bauten lösen überall auf der Welt starke Emotionen aus. Wir bemühen uns, Bauten optimal in ihr Umfeld zu integrieren und mit nachhaltigen Materialien, funktionalen Grundrissen und ökologischen Energieformen wie Biomasse und Photovoltaik beste Bauqualität zu schaffen. Zum einen haben wir das Eigentum, das wir laufend attraktiver gestalten wollen. Dazu gehören die Seensiedlungen wie etwa in Trausdorf und am Neufelder See. Wir erwerben oder erschließen auch neue Flächen im unmittelbaren Umfeld der bestehenden Anlagen und ermöglichen Interessenten, hier ihre Häuser zu bauen. So kommen im Schnitt jährlich etwa 30 bis 40 Parzellen neu dazu. Dann gibt es die großen Gemeindeseebäder, wobei wir bei Breitenbrunn und Illmitz mehrheitlich Eigentümer sind. Breitenbrunn beschäftigt mich seit über zehn Jahren und ist ein Beispiel für sorgsames Planen und Umsetzen. Mit namhaften Architekten, die wir über Wettbewerbe ausgewählt haben, wurden optimale Konzepte für die wertvollen Flächen geschaffen. Wettbewerbe bieten die einzigartige Chance, die Potenziale einer Fläche von vielen Seiten kennenzulernen. In der Folge werden die Planungen noch in mehreren Runden nachgeschärft und präzisiert. In Breitenbrunn werden die notwendigen Bauten nach dem Prinzip der naturnahen Zurückhaltung verwirklicht. Wir planen auch eine hochwertige Gastronomie mit Dachterrasse. Es gibt zudem auf dem Gelände zahlreiche Vereine, die Flächen und Infrastruktur benötigen. Bei Fertigstellung der Modernisierungsmaßnahmen des Seebad-Areals stehen den Gästen rund 10.000 Quadratmeter mehr öffentlich zugänglicher Raum auf unverbauten Grünflächen zur Verfügung. Die Vergrößerung der zusammenhängenden Liegewiese mit der Sportfläche wird dann auch rund 33 Prozent betragen, was etwa 7.000 Quadratmeter entspricht. Die Seebadanlage ist eine sehr lebendige, große Welt, vor allem im Sommer, in der tausend bis zweitausend Menschen den unterschiedlichsten Freizeittätigkeiten nachgehen. Bereits die ersten Adaptierungen wurden sehr positiv aufgenommen.


Gut sichtbar in Eisenstadt ist der Hotelbau. Warum engagiert sich Esterhazy in diesem Bereich?

Wir hatten den Plan für einen Hotelbau schon länger. Aber es gab einfach keine Fläche in der Innenstadt von Eisenstadt, um eine großzügige Anlage zu errichten. Vor ein paar Jahren wurden dann Gebäude und Flächen im Zentrum frei. Dort entsteht ein 120 Zimmer-Hotel im 4-Sterne-Plus-Bereich. Daneben vier jeweils fünfstöckige Wohnhäuser mit Terrassen und Dachterrassen. Wir haben erst im Oktober 2020 mit dem Bau begonnen und werden im Sommer 2022 übergeben. Das ist eine Leistung, auf die alle Beteiligten stolz sein können. Wichtig ist beim Hotel die Verbindung zum Schloss. Vor allem in der kalten und dunklen Jahreszeit wird es für uns wichtig sein, attraktive Angebote zu schaffen, um Gäste nach Eisenstadt zu bringen.


Beim Wein verwenden Sie den Namen Esterhazy – ist der Fürstenhut ein Startvorteil?

Ja, das ist richtig. Bei Wein, Sekt und Spirituosen klingen Adelsnamen auch heute noch sehr gut und unterstützen die Marke. Deshalb nützen wir hier auch den Fürstenhut. Allerdings geschieht das diskret und im Rahmen eines hochwertigen Auftritts der Marken. Wir wollen vermeiden, dass jemand denkt, wir hätten die Absicht, über diese Marken die Monarchie wieder einzuführen. In Japan, aber auch in Deutschland kommen europäische Adels-Weingüter sehr gut an. Und in den USA gibt es ebenfalls viele Menschen, die einen romantischen Bezug zur Geschichte Europas haben. Allerdings ist es unser Ziel, durch hohe Qualität zu punkten. Das ist uns in den letzten Jahren auch gelungen. Zahlreiche Auszeichnungen legen Zeugnis davon ab. Sehr spannend sind sogenannte „Projektweine“, die in kleiner Menge, aber auf sehr hohem Niveau fast experimentell geschaffen werden. Hier handelt es sich um Weine, die auf natürlicher Hefe vergoren oder nur leicht gefiltert sind. Ich kann einen Besuch im Weingut Esterházy in Trausdorf nur empfehlen.


Wenden wir uns „Tourismus, Kultur und Veranstaltungen“ zu. Worin wurzelt Ihre eigene starke Beziehung zur Kunst?

Ich bin in Luzern, einer sehr kulturaffinen, mittelgroßen Stadt in der Schweiz aufgewachsen. Das berühmte sommerliche Musikfestival war Bestandteil unseres Lebens als Schüler. Meine Großmutter war in der Zwischenkriegszeit in Budapest Gymnasiallehrerin und es war sehr selten, dass dort Frauen in Mittelschulen lehrten. Sie hat Ungarisch, Geschichte und Deutsch unterrichtet und war eine sehr kluge und gebildete Frau. So hat dann meine Mutter die Liebe zur klassischen Musik und Bildung in die Wiege gelegt bekommen und diese an uns Kinder weitergegeben. Meine Großmutter väterlicherseits hat mich über ihre Plattengeschenke schon früh in die US-Swingmusik eingeführt. Ich bin dann in Luzern ins humanistische Gymnasium aufgenommen worden. Mein damals bester Freund war ein unglaublich kulturaffiner Bursche. Er hat uns durch andere Schweizer Städte geführt und uns das reiche Kulturerbe gezeigt, wir haben Kirchen, Klöster und Denkmäler besichtigt. Ich ging auch auf Rockkonzerte, hatte aber mehr Interesse an klassischer Musik und Kunst.


Was ist Ihnen heute näher: die "alte" Kunst oder die zeitgenössische?

Die beiden sind eng miteinander verbunden. Die heute klassische Kunst war einmal sehr modern und hat die Wahrnehmung der damaligen Menschen entscheidend verändert. Schauen wir auf die heutigen großen klassischen Museen. Sie befassen sich oft als Ergänzung zu ihren Sammlungen auch mit zeitgenössischer Kunst. Das zeigt Besuchern dann, wie zeitgenössische, als bahnbrechend angesehene Kunst in Revolutionen wurzelt, die sich vor Hunderten von Jahren abgespielt haben. Heutige Konzeptkunst wurde beispielsweise schon in der Renaissance begonnen. Land-Art gab es bei den Esterházys bereits von 350 Jahren.


Mit dem Esterházy Art Award (EAA) fördern Sie junge Kunst in Ungarn. Wie kam es dazu?

Ich habe damit schon in meiner Zeit als Bankmanager in Ungarn begonnen. Heute arbeiten wir auf sehr professionellem Niveau. Ein breit ausgewähltes Kuratorium entscheidet über die Preisträger. Im letzten Herbst haben wir über 200 junge Kunstschaffende unterstützt. Der EAA 2021 wurde vom 1. Dezember 2021 bis zum 13. Februar 2022 im Ludwig-Museum in Budapest gezeigt. Wir stellen ihre Werke aus, begleiten sie mit den ersten Katalogen, helfen ihnen beim Sprung ins Ausland und vermitteln sie an gute Galerien. Die Preisträgerin von 2019 ist heuer die offizielle Künstlerin Ungarns bei der Kunstbiennale in Venedig, die im April eröffnet wird. Das erfüllt einen natürlich mit Stolz.


Haben Sie eine starke Beziehung zu Ungarn?

Ich bin zwar in der Schweiz aufgewachsen, die Familie hatte aber zahlreiche Vorfahren aus Ungarn. Ich sprach als Kind nur ein in der Familie aufgeschnapptes „Küchenungarisch“, wirklich gut habe ich die Sprache erst so mit Dreißig erlernt. Die Zeit als Manager in Budapest hat mich auch der ungarischen Lebensweise und Kultur nähergebracht. So bin ich jetzt natürlich in Eisenstadt zu Hause, habe aber auch Wurzeln in Luzern und in Budapest. Als Europäer kann man sich heutzutage in mehreren Staaten wohlfühlen, so wie viele Österreicher mehrere Bundesländer ins Herz geschlossen haben


Die Grenzen zwischen Ungarn und Österreich sind in mancher Hinsicht immer noch nicht wirklich durchlässig. Woher kommt das?

Das hat mehrere Gründe: Zum einen haben unabhängige, eigenständige Staaten mit eigenen Bildungssystemen einen natürlichen Stolz auf ihre Geschichte und Kultur. Sie lassen den Einfluss der Nachbarn nicht so leicht herein. Das gilt besonders für Gesellschaften, die 45 Jahre lang unter dem Kommunismus stark abgeschottet waren. Zum anderen sind es auch die großen Unterschiede in der politischen Struktur. Ungarn ist extrem zentralistisch organisiert, es wird fast alles aus den Ministerien in Budapest gesteuert. Regionale Strukturen und Kompetenzen sind schwach entwickelt. Es fehlen deshalb starke regionale Politiker, mit denen sich die Bürgerinnen und Bürger identifizieren können. Dadurch fehlt uns im Burgenland in den Grenzregionen leider das politische Gegenüber, mit dem wir uns regelmäßig austauschen können. Damit gehen viele Möglichkeiten verloren, welche die EU bei grenzüberschreitenden Förderprojekten bietet. Wie viel zielführender wäre es, wenn auch das benachbarte Ungarn starke, selbstbewusste Komitate hätte, die auf Augenhöhe agieren können. Die Bodenseeregion wäre dafür ein positives Beispiel. Hier kooperieren drei föderale Staaten, Österreich, Deutschland und die Schweiz. Wir haben ein Vorarlberg, das in Regionalthemen sehr vieles entscheiden kann. Ebensolche Möglichkeiten haben die deutschen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg. Auf Schweizer Seite sind es die Kantone St. Gallen und Thurgau. Hier läuft die Zusammenarbeit seit Jahrzehnten sehr gut.


Wenn es nach Ihnen ginge, könnte der Föderalismus in Österreich noch weiter gestärkt werden. Gibt es Probleme im politischen System Österreichs?

Ja, das ist richtig. In der Frage bin ich doch von der Schweiz geprägt. Die Regionalisierung bringt es mit sich, dass sich Bürgerinnen und Bürger viel stärker mit der Politik identifizieren können, weil die Probleme in ihrer Nähe abgehandelt werden. In Österreich nimmt die Demokratie ja mitunter recht eigenartige Wendungen, das haben wir in den letzten Monaten erlebt.


Die Esterházys haben im 17. Jahrhundert den aus Wien vertriebenen Juden in dieser Region Platz gegeben. Das hat lange gut funktioniert, bis das Zusammenleben 1938 durch die Nationalsozialisten ein tragisches Ende gefunden hat. Diese Kulturgeschichte beschäftigt Sie sehr, wie ich weiß. Warum ist das so?

Seit Jahren kooperieren wir mit Institutionen, sei es das Jüdische Museum oder andere Vereinigungen, die das reiche kulturelle und wirtschaftliche Erbe von 350 Jahren ins Bewusstsein der Menschen bringen. Die sieben jüdischen Gemeinden im Burgenland haben über Jahrhunderte für uns alle eine bedeutende Rolle gespielt, nicht nur für das Haus Esterházy, sondern für die ganze westungarische Region. Es kam jedoch dann zu turbulenten historischen Entwicklungen. Zuerst ein starker Nationalismus, der im späten 19. Jahrhundert Fuß gefasst hat, was dann in den Ersten Weltkrieg mündete. In dieser Zeit kam es zu einer furchtbaren Verheerung, ganz besonders in den Seelen der Menschen. Die Leute kehrten gebrochen aus dem Krieg zurück, die Bevölkerung war verarmt, Österreich hatte die Kronländer verloren und musste mit einem kleinen Restchen vorliebnehmen. Daraus ergaben sich extreme politische Richtungen, die am Ende zur Vernichtung einer Vielzahl von Juden geführt haben, die zu Sündenböcken gemacht worden waren. Es ist lobenswert, dass das Land Burgenland die letzte noch erhaltene Synagoge in Kobersdorf fachgerecht restauriert hat. Esterhazy hatte in seiner reichen, 350 Jahre währenden Geschichte eine sehr gute Kooperation mit den jüdischen Zuwanderern und den Gemeinden, denen sie auch Schutz geboten hat, und ich glaube, an diese Geschichte darf man und muss man sich erinnern. Die Ausstellung „Schewa Kehilot. Die Fürsten Esterházy und die jüdischen Sieben-Gemeinden“, die im Moreausaal des Schloss Esterházy zu besichtigen sein wird, gibt Einblick in diese besondere Beziehung.


Zuletzt noch eine Frage: Wie sind Ihre Pläne für die nächste Zeit?

Die großen Pläne machen inzwischen schon die Kolleginnen und Kollegen. Wir haben eine starke zweite und dritte Führungsebene. Ich werde noch ein, maximal zwei Jahre operativ stärker eingebunden sein, will mich aber sukzessive auf wenige Bereiche zurückziehen. Dazu gehören die strategische Steuerung, der Wein, mit dem ich mich nun schon seit über 25 Jahren befasse, dann aber auch Kunst und Kultur, die alte wie die neuere. Vielleicht werde ich auch noch der internationale Botschafter des Unternehmens sein, damit ich meine Sprachkenntnisse wieder etwas aufpolieren kann. So kann ich Esterhazy noch über längere Zeit unterstützen und positive Anstöße für die weitere Zukunft geben.


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